Der Kostendruck bringt Kommunen in die Cloud
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow ist Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsmanagement an der TU Berlin und Projektverantwortlicher der TU für das Government Green Cloud Laboratory (GGC-Lab), ein Großprojekt des BMWi-Technologieprogramms IT2Green. Gerade für die öffentlichen Verwaltungen sieht Prof. Zarnekow ein großes Potenzial. Denn „Cloud Computing ermöglicht es ihnen, IT-Dienstleistungen und -Services zu nutzen, ohne dass sie sich um die technischen Feinheiten wie die Implementierung oder die Wartung kümmern müssen.“
MittelstandsWiki: Sie glauben, dass Cloud Computing auch in der öffentlichen Verwaltung einen Paradigmenwechsel auslösen kann. Warum?
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Weil Kommunen mit immer weniger Mitteln und Ressourcen ein immer größeres Spektrum an Leistungen aufrecht erhalten müssen. Ich denke, dass der Kostendruck so hoch werden wird, dass sie einfach handeln müssen.
MittelstandsWiki: Weshalb sollten sie bei gerade bei Cloud Computing ansetzen?
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Weil sich das einfach anbietet. Cloud Computing ermöglicht ihnen, IT-Dienstleistungen und -Services zu nutzen, ohne dass sie sich um die technischen Feinheiten wie die Implementierung oder die Wartung kümmern müssen. Sie können sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und von Synergieeffekten profitieren. IT ist etwas, was sich in größeren Einheiten effizienter und kostengünstiger betreiben lässt. Insofern glaube ich, dass es auch im öffentlichen Bereich eine Konsolidierung in der IT geben wird. Eine Besonderheit des öffentlichen Sektors ist ja, dass er extrem zersplittert ist …
MittelstandsWiki: Aber das ist doch gerade der Knackpunkt. Der Markt weist sehr spezielle Strukturen auf. Vor allem haben wir ein föderalistisches Kundensegment, das eifersüchtig über die Einhaltung der eigenen Rechte wacht …
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es im öffentlichen Bereich in der IT eine Konsolidierung geben wird. Der Kostendruck wird einfach so hoch sein, dass sich kleine Einheiten zusammentun werden, um zukünftig effizienter arbeiten zu können. Gerade auf der Ebene der Fachverfahren gibt es ja viele Überschneidungen. Und was spricht dagegen, eine gemeinsame Infrastruktur zu nutzen?!
MittelstandsWiki: Ein großes Hemmnis dürften Sicherheitsbedenken sein.
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Die haben Sie doch ein Stück weit bei allen neuen Technologien. Als die PCs aufkamen, gab es auch viele IT-Manager, die sagten: „PCs sind Teufelszeug. Die wird man niemals sicher bekommen.“ Heute lacht man darüber. Mit dem Internet war es ähnlich. Schauen Sie sich doch einmal an, mit welcher Intensität Forschung und große Unternehmen an diesen Sicherheitsfragen arbeiten. Die wollen doch auch ihre Lösungen verkaufen. Deshalb denke ich nicht, dass es auf lange Sicht ein absoluter Verhinderungsfaktor ist.
MittelstandsWiki: Nun kann man Cloud Computing nicht nur auf die Technik reduzieren …
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Da haben Sie vollkommen recht. Es ist auch ein organisatorisches Thema. Leider wird das sehr häufig übersehen.
MittelstandsWiki: Haben Sie hier ein paar Tipps, was Kommunen oder Unternehmen beachten sollten?
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Es gibt sicher keinen Standardweg. Unsere Erfahrungen mit Cloud-Projekten haben aber gezeigt, dass es drei Ebenen gibt. In erster Linie muss man die Ziele für das eigentliche Kerngeschäft setzen und sich dann überlegen, wie die IT dazu beitragen kann, diese Ziele zu erreichen. Dann muss man sich auf der mittleren Ebene sehr intensiv mit den Prozessen beschäftigen und sich fragen, wie die Verwaltungsabläufe und -prozesse in den verschiedenen Behörden und Einrichtungen mithilfe der IT effizient gestaltet werden können. Die unterste Ebene bildet dann in der Tat die Technik. Dort besteht die Herausforderung u.a. darin, die richtige Lösung zu finden.
MittelstandsWiki: Noch eine letzte Frage: Wo könnte die öffentliche Verwaltung in zehn Jahren stehen?
Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow: Meine Vision von einer Verwaltung in zehn Jahren ist auch die, die man im E-Government als Vision hat: nämlich dass ein Bürger in der Lage ist, 90 % seiner Kommunikation mit den Behörden online, elektronisch gestützt und natürlich auch rechtssicher abwickeln kann – wenn er möchte.
Das Interview führte Eduard Heilmayr/sp.